Bei der Begrüssung der zahlreichen Anwesenden erwähnt Pfarrer Luzius Rohr als einer der Mitorganisatoren die Wichtigkeit des Wassers als einem Menschenrecht, das allen zugänglich sein muss. Mit dem kostbaren Gut, das unentgeltlich vom Himmel fällt, gehen wir jedoch verschwenderisch um und könnten es zu mehr nutzen, als wir dies tun. Das ist das Fachgebiet von Silvia Oppliger. Sie leitet das Projekt Schwammstadt beim Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute und ist eine treibende Kraft bei den Bemühungen, die nachhaltigen Möglichkeiten der Nutzung von Regenwasser voranzutreiben. Der Umgang mit überschüssigem Wasser ist denn auch die wichtigste Voraussetzung zur Realisierung des Prinzips einer Schwammstadt. «Seit rund 100 Jahren entsorgen wir überschüssiges Regenwasser via Kanalisation», sagt die Wissenschaftlerin in ihrem Referat. So, als wäre es ein Übel, das wir loswerden müssen.» Dem will die Idee der Schwammstadt entgegenwirken und das Regenwasser zu einer wertvollen Ressource machen.
Versickerung des Wassers
Der Abfluss und somit die Verschwendung von Wasser ist in urbanen Gebieten besonders ausgeprägt, da ein grosser Teil der Böden wasserdicht abgedeckt ist und die Versickerung nahezu verunmöglicht. Solche Versiegelungen müssen in einer Schwammstadt minimiert werden, ebenso sollen bestehende Beläge nach Möglichkeit durch sickerfähige Materialien ersetzt werden. Die Umgebung wird so gestaltet, dass sie versickertes Wasser wie in einem Schwamm speichert und bei grosser Hitze wieder abgibt. Die Verdunstung aus dem Boden und durch die Vegetation kühlt das Stadtklima ab und verringert die Gefahr von Überschwemmungen, denn die Kanalisation wird durch die Versickerung entlastet. Kommt es bei Starkniederschlägen trotz Schwamm-Effekt zu Wasserabfluss an der Oberfläche, kann das überschüssige Wasser gezielt in Abflusskorridore oder Sickermulden geleitet werden, die als natürliches Reservoir zur Begrünung und Biodiversität beitragen.
Einbezug von Fachleuten
Ein effizientes Wassermanagement, führt Silvia Oppliger weiter aus, sollte in eine Gesamtplanung eingebettet sein, wobei Fachleute aus Architektur, Stadt- und Raumplanung sowie der Pflanzenkunde einbezogen werden müssen. Damit alle Faktoren berücksichtigt werden, welche die Möglichkeiten einer Schwammstadt allenfalls beeinträchtigen können. Beispielsweise der Umstand, dass kein Schwamm unbegrenzt Wasser aufnehmen kann und somit die Gefahr besteht, dass zu viel Wasser auf kleinem Raum vorhanden ist. Um eine Übernässung des Bodens und damit eine Schädigung der Vegetation zu verhindern, so Silvia Oppliger, muss vorgängig der Untergrund mit Sickertests untersucht werden, um bei Bedarf eine entsprechende Lösung zu finden. Beim Rundgang machte Claudio Baglivo, Präsident von NaturBernWest, darauf aufmerksam, dass auch Einwände des Denkmalschutzes oder die Statik von Gebäuden die Umsetzung teilweise beeinträchtigen können.
Weg der kleinen Schritte
Als Beispiel nennt er das Schulhaus Bethlehemacker nach der Gesamtsanierung. Es konnte zwar nicht alles umgesetzt werden, jedoch wurden 20 % des Bodens entsiegelt und die 27 zusätzlichen Bäume so eingepflanzt, dass sie das Sickerwasser aufnehmen. Die Sanierung zeige auf, dass auch ein Weg der kleinen Schritte positive Auswirkungen habe. Silvia Oppliger ergänzt, dass in Bern West gute Ansätze hin zum Prinzip der Schwammstadt bestehen. Jetzt gelte es, alles daranzusetzen, diese Grundhaltung einzubringen, ob bei grossen Bauvorhaben oder im privaten Bereich. Denn auch im Kleinen könne einiges bewirkt werden. Das Auffangen von Regenwasser in einer Tonne gehört dazu, die Begrünung von Dächern, Fassaden und Balkonen ebenso wie die Entsiegelung von Flächen. Jede Massnahme, betont Silvia Oppliger, leiste einen Beitrag. Überall, und deshalb auch im Stadtteil VI, obschon dieser im Vergleich zum übrigen Stadtgebiet eine niedrige Anzahl von Hitzeinseln aufweist.