Dry January – Trocken(er) ins neue Jahr

Prost! Zum Wohl! Auch ohne Alkohol?

Salome Guida
Von Salome Guida - Redaktorin
Im Januar bestellen Gäste vermehrt etwas Alkoholfreies.

Foto: zvg/EE

Einfach erklärt
Im Januar verzichten viele Menschen auf Alkohol. Oder sie trinken weniger. Auch wegen «Dry January». Das heisst «Trockender Januar» und ist eine Kampagne vom Blauen Kreuz. Alkohol ist sehr schädlich.
Nach den Festtagen geht der Konsum von Alkohol vielerorts zurück. Die Kampagne «Dry January» konnte gar rund eine Mio. Teilnehmende motivieren, ihren Konsum in den ersten Wochen des Jahres zu hinterfragen. Wer in die Statistik schaut, merkt: Bier, Wein und Co. können nicht nur zum Kater führen. Sie sind auch für zahlreiche Krebsarten mitverantwortlich.

«Prost! Zum Wohl!» Hüben und drüben klirrten in den vergangenen Wochen die Gläser. Und manch eine oder einer sagte sich nach den üppigen Essen samt Wein und Absackerli: «Im Januar trinke ich weniger.» Darauf jedenfalls deuten die Zahlen der Kampagne «Dry January» hin. Der «Alkoholfreie Januar» (wörtlich «trockener») wird vom Blauen Kreuz bereits zum fünften Mal durchgeführt; von England aus findet er seit 2013 in immer mehr Ländern Anklang. «Inzwischen macht jede achte Person in der Schweiz mit», freut sich Kampagnenleiterin Luna Hannappel.

Alkohol kann Krebs auslösen

Vier von fünf Schweizerinnen und Schweizern trinken regelmässig Alkohol. Wer an einem sozialen Anlass ein Wasser, einen Orangensaft oder eine Cola bestellt, fällt auf – so normalisiert ist die Droge. «Alkohol ist eine toxische, psychoaktive und süchtig machende Substanz und wurde vom Internationalen Krebsforschungszentrum schon vor Jahrzehnten als Karzinogen der Gruppe 1 eingestuft – das ist die höchste Risikogruppe, zu der auch Asbest, Strahlung und Tabak gehören», schreibt die WHO. Doch was ist so schlimm am Feierabendbier, am «Dreierli» zum Essen oder am Cüpli zum Geburtstag? Das «grosse Ganze», sagt die WHO. Ist der Konsum in einer Gesellschaft derart normalisiert wie in Europa, dann ist vielen nicht bewusst, dass der Alkohol für mehrere Krebsarten mitverantwortlich ist. Gemäss der Organisation kann davon ausgegangen werden, dass die Hälfte der vom Alkohol verursachten Krebsfälle in Europa durch «leichten bis moderaten» Konsum entstehen.

Einladung statt Mahnfinger

Trotz diesen Aussagen setzt die Schweizer Dry January-Kampagne aufs Ermuntern. Man wolle nicht mit dem erhobenen Zeigefinger agieren, suche nicht die Abschreckung, so Hannappel. Vielmehr gehe es darum, so niederschwellig wie möglich einzuladen, den eigenen Alkoholkonsum bewusster wahrzunehmen und zu hinterfragen. Wer sich über die Website anmeldet, erhält einen Newsletter mit Tipps und Hintergrundinformationen. Etwa zur «Superheldin Leber», mit Rezepten für «Mocktails» oder mit Tipps zur Wochenendgestaltung. Über die App «Try Dry» lässt sich zudem berechnen, wie viel man spart, indem man auf die sonst üblichen Drinks verzichtet.

Doch warum, wenn es ja so schädlich ist, gehört das Nervengift dennoch zu den beliebtesten Getränken? Nebst dem Genussaspekt gibt es diverse andere Motive, erklärt die Kampagnenleiterin: «Der Alkohol betäubt negative Emotionen, wirkt beruhigend oder auch enthemmend.» Manche nutzen die Halbliterdose Bier, um nach einem stressigen Arbeitstag schneller abschalten zu können. Andere fühlen sich nach einem Drink beim Date oder im Ausgang sicherer. Von da bis zum Alkoholiker ist es ein mehr oder weniger weiter Weg, doch: «Abhängigkeit kann sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise zeigen.» Immer jedoch ist sie verbunden mit dem Drang, trinken zu wollen. «Wenn das Verlangen so stark ist, dass es sich schwierig anfühlt, den Konsum sein zu lassen, dann kann man von Sucht sprechen», so die Fachfrau vom Blauen Kreuz.

Ihre Kampagne richtet sich denn auch nicht an die Abhängigen. «Ein plötzlicher Verzicht wäre in diesen Fällen sogar schädlich», warnt sie. Stattdessen soll der Dry January die Durchschnittskonsumentinnen, den Normal- bis Vieltrinker ansprechen. Viele Teilnehmende geben an, dass sie besser schlafen, eine gesündere Gesichtshaut feststellen oder mehr Energie verspüren. Ein grosser Teil der bisherigen Mitmachenden kehrt nach Ende Januar denn auch nicht zum Gewohnten zurück, sondern trinkt weiterhin weniger als zuvor.

Verbreitete Alternativen

Alkoholfreie Biere sind im Trend, das merkt man schon nur an den immer grösser werdenden Auslagen in den Supermärkten. Auch Weine mit 0,0 Prozent oder Alternativen zu Spirituosen sind fast überall zu finden. Franz Stähli bietet in seiner Benteli’s Bar Lounge schon länger einen nullprozentigen Gin Tonic und Cuba Libre an. «Schon vor 30 Jahren schaute ich, dass wir für alle etwas anbieten können. Früher musste man etwas kreativer sein beim Mischen, damit es schmeckt. Heute gibt es viele Ersatzspirituosen auf dem Markt», fasst es der Gastronom zusammen. Gastgeber Roni Huber vom Sternen Bümpliz führt ausser alkoholfreiem Bier bis jetzt noch keine direkten Alternativen zu Wein oder zu Hochprozentigem. Aber: «Wir kreieren gerne einen Cocktail ohne Alkohol.» Das Restaurant Jäger in Bethlehem bietet nebst alkoholfreiem Bier auch einen nullprozentigen Schaumwein an. «Er wird oft nachgefragt und ist beliebt», sagt Servicefrau Allyson Alamos. Unabhängig davon, ob es Januar ist oder nicht.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Konsum von Alkohol führt zu zahlreichen Krankheiten und entsprechend viel Leid und hohen Kosten. Der Dry January will dennoch niemandem etwas verbieten oder gar die Lebensfreude vermiesen. Er zeigt aber auf, dass es sich durchaus lohnen kann, etwas genauer hinzuschauen und vielleicht vermehrt zu einem unbedenklicheren Getränk zu greifen. Prost! Zum Wohl! Auch ohne Alkohol.

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