Es ist ein sonniger Dienstagnachmittag, kurz vor 14 Uhr. Eine Frau schreitet zum Eingang des Kirchgemeindehauses der reformierten Kirche Bümpliz an der Bernstrasse 85. Ein Dutzend Frauen sitzt bereits in einem Kreis im Eingangsbereich des Cafés, alle begrüssen die Neudazugekommene mit einem Lachen. Sie alle haben hier gleich einen Deutschtreff. Im hinteren Teil des Cafés ist es etwas ruhiger, zwei ältere Frauen schlürfen an zwei einzelnen Tischen ihren Kaffee, weiter hinten spielt ein Papa mit seinem Sohn.
Eigeninitiative willkommen
Hier habe es für alle etwas, erklärt Roger Gernet kurz danach bei einem Rundgang im Untergeschoss, in dem sich das frei zugängliche Spielzimmer für Kinder befindet. Er ist Leiter Sozialdiakonie der reformierten Kirchgemeinde Bümpliz und steht, wie alle Mitarbeitenden der Sozialdiakonie und je nach Schicht, beim Infodesk – eine Art Empfang, an dem Besuchende Informationen erhalten. «Wir stehen zur Verfügung für Fragen jeglicher Art. Etwa, wenn jemand einen Behördenbrief oder eine Rechnung nicht versteht, sei es inhaltlich oder sprachlich», so Gernet. Oder wenn man neue Ideen einbringen möchte. «Kürzlich kamen zwei Ukrainerinnen zum Desk und fragten, ob es einen Deutschkurs für sie und ihre Landsleute geben könnte. Wir klären nun die Möglichkeiten für ein solches Angebot ab. Eine Mutter hat ein Stillkaffee auf die Beine gestellt, Zwölf Frauen und Männer haben ein Repair-Café initiiert, das einmal im Monat an einem Samstag (10 – 15 Uhr) durchgeführt wird. Die nächste Durchführung ist am 10. Mai. Wir unterstützen die Personen in der Findungsphase ihres eigenen Projektes und stellen die Räume zur Verfügung. Planen und durchführen werden sie es selbst.» Neue Ideen oder Projekte seien jederzeit willkommen und sogar notwendig. Denn: Das Angebot der Wolke85 soll schliesslich dem Interesse der gesamten Bevölkerung zugute kommen. Ein solches Engagement von Freiwilligen trägt neben der Vielfalt auch zu einem breiteren Abgebot bei. Damit ein Ort für alle heutzutage existieren könne, brauche es Engagement von Freiwilligen, weiss Gernet. «Wir leben in einer schnelllebigen Zeit, in der die Leute kurzfristig planen. Es ist deshalb wichtig, dass unsere Angebote diesen Bedürfnissen entsprechen und wir diesen – mit Hilfe von Leuten, die sich für andere einsetzen wollen – gerecht werden können.
Erfolgreicher Start
Die Geschichte der Wolke85 ist noch jung – und bereits erfreulich. «30 bis 50 Leute kommen hier pro Morgen. Am Anfang wurden wir sogar fast ein bisschen überrumpelt, da hatten wir manchmal zu wenig Gipfeli», freut sich Silvia Tapis. Es sei wunderschön, so zu starten. Zusammen mit Freiwilligen leitet sie als einzige Angestellte das Bistro. Am Morgen schäumen sie Baristakafi und verkaufen Gipfeli, am Nachmittag ist Selbstbedienung. Der Kaffee kostet, je nach Wahl, zwischen 1 bis zu 4.50 Franken. Denn er soll für alle erschwinglich sein. Und wer nichts konsumieren möchte, ist ebenso willkommen. «Die Menschen schätzen unseren Treffpunkt, in dem es keinen Konsumzwang gibt», äussert sich Tapis. Das Konzept der Wolke85 scheint schlüssig. Einen niederschwelligen Raum für unterschiedliche Generationen, Nationen und Bedürfnisse zu schaffen. «Neben den bestehenden Angeboten der reformierten Kirche wollen wir mit der Wolke85 noch näher an der Bevölkerung sein», erklärt Gernet. Bestehende Hürden sollen dazu abgebaut werden. Denn dass das Angebot von der Kirche ist, schreckt einige Leute ab. «Leute, die nicht Mitglied sind, meinen oft, dass sie dann keinen Zutritt hätten. Doch das stimmt nicht.»
10-jähriger Prozess
Was für die Bevölkerung nun seit einem Monat zugänglich ist, wurde detailliert und lange geplant. Vor 10 Jahren entwarf die Gesamtkirche Bern eine Liegenschaftsstrategie. «Die Landeskirchen verzeichnen viele Abgänge und praktisch keine Zugänge. Das führt zu viel weniger Steuereinnahmen, weshalb Geld gespart werden musste. So verliessen wir die Räumlichkeiten im Stöcktreff und der Baracke und zentralisierten unser Angebot in Bümpliz schliesslich im Kirchgemeindehaus», erklärt Gernet. Ab dem Januar 2024 wurde das alte Pfarrhaus umgebaut und renoviert; und «nah dis nah» entstand die Wolke85. «Zentralisieren, um zu sparen, und das Angebot für die Bevölkerung attraktiver zu machen, war unser Ziel», erklärt der Leiter Sozialdiakonie. «Bei uns darf man verweilen, teilnehmen und mitgestalten – alles hat hier gleich viel Wert», fasst Silvia Tapis zusammen. «Aber einfach nur geniessen, darf man bei uns <imfall› auch.» Roger Gernet und Silvia Tapis schmunzeln beide. Sie hoffen, dass das Angebot der Wolke85 immer weiterentwickelt werden kann. Auf ein weiteres Ereignis können sich die Besucherinnen und Besucher bereits jetzt freuen: Auf den Sommer, wenn der Garten zugänglich ist. «Er wird bis dahin noch mit Sandkästen, mit einem Pingpongtisch und Brätlistellen ausgestattet. Und noch ein kleiner Fakt dazu: Beim Umbau des Gartens kam ein Schädel aus dem 18. Jahrhundert zum Vorschein», bemerkt Gernet verblüfft.
Jetzt gilt es herauszufinden, welche Bedürfnisse die Bevölkerung hat, und wo die Wolke85 in einem Jahr stehen wird. «Wir müssen Erfahrungen sammeln und hoffen natürlich, dass es uns unter der Wolke nicht verregnet», so Gernet. Doch auf den ersten Monat blickt er mehr als zufrieden zurück. Dazu gehört auch das Eröffnungsfest, das ein voller Erfolg war. Ein so grosser, dass das Essen nicht für alle reichte. «Über 400 Personen kamen vorbei, wir wurden quasi überrannt», sagt er. «Das freute uns riesig.»