Ich bin/war Kunde/Patient in einem grösseren Gesundheitszentrum in Bern. In der Vorweihnachtszeit ist mir aufgefallen, dass die Spitze des aufgestellten Weihnachtsbaums – zack! – unnötig weggeschnitten wurde, wohl in Unkenntnis der eigentlichen Raumhöhe. Augenfällig ebenfalls die ausgefallene Garderobe mit stylischen Kleiderbügeln.
Duzen selbstverständlich
Gewöhnungsbedürftig ist es auch (für mich jedenfalls), dass man hier einfach geduzt wird. Soll, so ist zu hören, dem heutigen Trend entsprechen, Barrieren abzubauen. Soso. Dazu nur eine Feststellung: Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass viele Jugendliche ungefragt gar nicht per du mit Erwachsenen sein wollen. Eine Frage der Abgrenzung. «Hallo, ich bin Thomas oder Bo, ganz wie du willst, wir können uns duzen», habe ich in den letzten 20 Jahren im Hinblick auf Reportagen oder Interviews bestimmt 50 Mal einem/einer Jugendlichen gesagt. Immer –immer! – wurde ich trotzdem gesiezt, auch Wochen später noch. Ist zu respektieren.
Zurück jetzt zu den Triangel-Kleiderbügeln, die im Internet für 19.90 zu haben sind (ich bin fast sicher, dass die Gesundheitsleute sie günstiger erhalten haben). Boah! So schön! Zu dumm bloss, dass das Aufhängen einer Jacke einem Kampf mit den Elementen im Bermuda-Dreieck gleichkommt. Wo genau den einen Ärmel einfädeln, damit die andere Seite nicht gleich wieder ausfädelt und alles zu Boden fällt, Bügel inklusive? Ich bilde mir dabei ein, dass die Mitarbeitenden an der Rezeption mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen, was akustisch gerade hinter ihrem Rücken abgeht. Beruhigend hingegen, dass ich nicht der einzige Ungeschickte beim Hantieren bin, wenn ich andere Leidesgenossen beobachte. Und auch einer der Therapeuten meint, «es bolet» regelmässig beim Kleiderständer, wenn etwas zu Boden fällt.
Wall Street ins Minus drehen
Im Internet geht es durchaus nach dem Motto «Schief hängende Kleidung war gestern: Das schwarze Filzdesign dieser Kleiderbügel sieht nicht nur gut aus. Denn die Anti-Rutsch-Beschichtung schützt das Gewebe und hält Jacken und Blusen zuverlässig an ihrem Platz.» 20 Mal günstiger als die Dreieck-Bügel zu Bern, allerdings im 50er-Pack. Weshalb also kompliziert, wenn es auch einfacher geht? Gehen könnte. Aber deshalb neue Bügel kaufen? Sicher nicht.
Szenenwechsel ins Wartezimmer mit Blick auf die Garderobe. Was Sie wissen müssen: Ich verbringe mein halbes Leben mit Warten, weil ich immer zu früh zu einem Treffen aufkreuze. Immer. Das ist auch im Gesundheitszentrum nicht anders. Die Sitzungen sind jeweils zur vollen und zur halben Stunde angesagt, dauern dann öppis mehr als 25 Minuten. «Thomas allein zuhause» könnte man in Anlehnung an einen Film sagen, wenn ich :50 oder :20 eintreffe und die anderen Leute erst nadisna auftauchen.
Alle – alle! – haben sie nämlich eine Angewohnheit (nun ja, zumindest, wenn ich da bin), selbst wenn sie just in time nur knapp 60 Sekunden auf ihren Therapeuten warten müssen: Noch bevor sie richtig sitzen, beschäftigen sie sich mit ihren Handys. Wie gesagt: ausnahmslos. Köstlich. In meinem Kopfkino versuche ich mir vorzustellen, was denn derart wichtig sein könnte, dass man ohne sein künstliches Hirni nicht leben kann? Ist der schätzungsweise 40-jährige Vielleicht-Manager gerade dabei, die Wall Street z’underobsi zu bringen? Schaut die junge Frau gerade aufs Display, das sie erinnern soll, was sie als nächstes zu tun hat, weil sie vor lauter Tiktok & Co. ihren Tagesablauf sonst nicht im Griff hat? Kommuniziert ein bekannter Sportler gerade mit seiner Trainerin, um nachzufragen, was er seiner Therapeutin gleich sagen soll, was sie zu tun hat und was nicht? Und die Mutter mit ihrem ungefähr 10 Jahre alten Buben (dieser ebenfalls aus- und aufgerüstet)? Was mag sie wohl gerade machen? Stimmt, liebe Lesende, das alles geht mich gar nichts an.
Unglaublich: In den Augenblicken, da sich das Wartezimmer :00 und :30 schlagartig leert, kommen Zeitgenossen daher, die ihre Sitzung soeben bei den Therapeuten beendet haben, das Handy in Richtung Kleiderbügel und Ausgang bereits wieder in der Hand.