Es ist Mittagszeit. In der Wirtschaft zum Hähli wandern die Mittagsmenüs fleissig über den Tresen. An einem Ecktisch unweit von der Eingangstür sitzt der junge Mann, der innert Kürze viel von sich reden gemacht hat; nicht nur, weil er die üppigen Gehälter im Gemeinderat von Bern deckeln will. Nein, noch mehr, weil er die gängigen Klischees widerlegt, wonach SVP-Vertreter alles «Poltericheibe» seien. Janosch Weyermann (SVP) ist die Ruhe selbst. Sogar ein Zen-Mönch würde sich ob so viel innerer Harmonie mitten im hektischen Wahlkampf verneigen.
Die Wichtigkeit des
zweiten Sitzes
«Ich bin einfach so, tiefenentspannt», schmunzelt er und ergänzt, «aus dieser Ruhe heraus würde ich auch im Gemeinderat arbeiten, überlegt und vorausschauend statt überstürzt.» Inzwischen serviert das «Hähli» den Menüsalat, den Weyermann nur mit Unterbrüchen essen kann, denn ab und an stoppt jemand und grüsst den Politiker, ohne zu politisieren. Es scheint, als vertrauten sie diesem Mann. Es braucht keine langen Erklärungen, Weyermann wisse, was er tue, heisst es wenig später auf Nachfrage bei den Gästen. Dass er jung sei, um bereits für die Exekutive zu kandidieren, erachtet man hier als Vorteil. Der Blick auf andere Kantone zeigt schliesslich, dass Politikerinnen und Politiker um die 30 auch anderswo in den Regierungen sind, kommunal, kantonal und, wenn man an Nationalrätin Katja Riem (SVP) im Kanton Bern denkt, auch national. Doch für ihn selbst steht nicht seine Person im Vordergrund, sondern ein Problem, dass er mitlösen will: «Mir ist wichtig, dass die bürgerliche Seite zwei Sitze im Gemeinderat holen kann.» Klar, weit mehr als ein Drittel der Stadt Bern steht der bürgerlichen Politik nahe und diese waren bisher mit nur einem Sitz untervertreten. So kam es zum grossen Bündnis BGM. «Im Frühjahr hat Marieke Kruit (SP) bekannt gegeben, dass sie Alec von Graffenried (Grüne) als Stapi angreife. Man ging davon aus, dass es noch mehr Kandidaturen geben würde. Die SVP hat mich vorgeschlagen. Einige sind dann doch nicht angetreten, so haben wir nun zwei Kandidaturen von links und mit Melanie Mettler (GLP) und mir zwei Kandidaturen von der bürgerlichen Seite», erklärt er. Die Aufgabe ist klar: Weyermann soll die Stimmen des Stadtteils VI liefern, dem einwohnerstärksten Teil Berns und vermutlich auch jenem mit dem höchsten Anteil an bürgerlichen Stimmen, zumal hier die meisten KMUs angesiedelt sind und der Westen von Bern eine historische Nähe zur Wirtschaft aufweist.
Gegen die Vernachlässigung
Wenn man nun beim KMU Bern West reinhört, wird schnell klar, Firmen drohen ihren Standort zu verlieren, Parkplätze verschwinden, manch einer droht sein Geschäft aufgeben zu müssen. Im Westen fühlt man sich im Stich gelassen. Stimmt dieses Gefühl? «Das trifft absolut zu», sagt Weyermann. Inzwischen serviert das Hähli die Spaghetti und nach einer ersten Gabel ergänzt er: «Wir werden nach wie vor stiefmütterlich behandelt, vieles wird hierher abgeschoben. Ich wohne und lebe von Herzen gerne hier und sehe, wie viele positive Veränderungen trotz alledem stattfinden; man denke nur an das Brünnenquartier oder das Westside und zukünftig sicherlich Ausserholligen. Wir sind schon ein spannender Stadtteil mit einer guten Durchmischung. Er verdient es, vollwertig in Bern einzufliessen und auch so behandelt zu werden.» Die Ruhe verliert er keineswegs, wenn er das erzählt, aber seine Augen leuchten, nicht nur, weil die Spaghetti munden. Sein Herz schlägt für den Westen von Bern.
Grobfahrlässige Finanzen
Klare, mitunter strenge Worte kommen beim besonnenen Mann vor allem dann auf, wenn er auf die rund 30 Mio. Franken minus im Budget 2025 angesprochen wird. Um dies zu erläutern, legt er die Gabel ab und riskiert, dass sein Mittagessen deutlich abkühlt: «Es erstaunt mich, wie man von linker Seite betonen kann, es sei alles in Ordnung. Die Verschuldung steigt stark an und es herrscht das Prinzip Hoffnung, dass die Wirtschaft und die steigenden Steuereinnahmen das irgendwie schon stemmen werden. Aber das System ist längst ausgereizt. Wenn man sowas kleinredet, ist das von einer Seite, die viel von Enkelkindertauglichkeit spricht, ein krasser Widerspruch.» Und nun folgt der typische SVP-Punkt, das Problem mit immer mehr Menschen in der Stadt: «Wir sehen vielerorts Probleme, die mit dem Wachstum zu tun haben. Bei den Schulhäusern etwa, sobald diese fertig gebaut sind, sind sie schon wieder zu klein. Bei einem Schulhaus wie im Kleefeld verstehe ich die Stadt nicht, man hätte hier gut aufstocken oder das zumindest vorsehen können. Lieber hat man nun ein zu kleines Schulhaus», nennt er gleich ein Beispiel. Engpässe will Weyermann beheben; Ausgaben in diesem Bereich priorisiert er, doch er ergänzt auch: «Wir müssen uns mehr als Grossraum Bern verstehen und mit den Agglomerationsgemeinden zusammenarbeiten. Die Menschen hier interessiert die Gemeindegrenze herzlich wenig. Sie wohnen ganz einfach in Bern.»
Der Teller ist leer, die Zeit nahezu um. Janosch Weyermann schaut aber nicht auf die Uhr und gibt nicht das Gefühl, keine Zeit zu haben. Im Gegenteil. Er schenkt allen ein offenes Ohr und verabschiedet sich in aller Seelenruhe bei all jenen, die an seinem Tisch kurz Halt machen. Ein Mittagessen mit ihm reicht, um diese Kraft, die er aus der Ruhe schöpft, zu erleben. Die Stimme aus dem Westen von Bern zeigt sich lösungsorientiert und das entbehrt wieder den Klischees, die manchereins von der SVP hat. «Es ist wichtig, auch mal überspitzt zu formulieren, aber es braucht eben auch die andere Seite, die Lösungen präsentiert, und ich gehöre sicherlich zu diesem Teil», beendet er das Gespräch. Zurück bleibt das Gefühl: Das ist einer aus dem Westen für den Westen.