In der ganzen Schweiz gibt es 17 Berufsfeuerwehren sowie einige Betriebswehren. Der grösste Teil der Brandbekämpfenden sind nämlich «Milizler». Oft leisten sie kleinere Einsätze; Grossbrände gibt es zum Glück selten. Doch kommt es zu einem solchen Ernstfall, sind auch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr dichtem Rauch und Temperaturen von bis zu 800 Grad ausgesetzt. Nur AdF – Angehörige der Feuerwehr – mit Atemschutzausbildung gehen mit einem Atemschutzgerät in die brennenden Gebäude hinein. Das sind Extremsituationen, die in gewöhnlichen Übungen kaum simuliert werden können. «Jeder Atemschutzträger muss deshalb mindestens einmal pro Jahr am Feuer gewesen sein», erklärt Marco Blaser. Der Koordinator Riedbach der Berufsfeuerwehr Bern ist an diesem Samstagmorgen vor Ort in Riedbach. Die Brandcorpskompanie Bern-Ost ist heute auf dem Gelände. Zusammen mit der Kompanie Bern-West unterstützt sie die Berufsfeuerwehr bei Einsätzen.
Bei 400 Grad Puppen suchen
Die heutige Übungsleiterin Stephanie ist bereits am Einfeuern: In einem dreistöckigen, mit ausgedienten Containern ergänzten Gebäude, brennt es an zwei Stellen im Untergeschoss. Dichter Rauch füllt auch die oberen Bereiche. Dort werden die Teilnehmenden in mehreren rund 15 Minuten dauernden Übungen bis zum Feuer vorstossen, stets beobachtet von GVB-Instruktoren. Marco Blaser gibt einen Einblick in die heutigen Ziele: «Die Feuerwehrleute müssen taktisch vorgehen, die Räume taktisch entrauchen, um zum Feuer zu kommen. Bei manchen Übungen suchen sie im dichten Rauch bei praktisch null Sicht die Räume nach Personen ab – hier sind es natürlich Puppen.» Bis zu 400 Grad heiss wird es dabei, selbst wenn man noch mehrere Meter vom Feuer entfernt ist. Die Schutzkleidung hält zwar ex-treme Hitze kurzzeitig aus, doch schon bei wenigen hundert Grad heizt sie sich irgendwann auf. Umso wichtiger ist es, dass die Feuerwehrmänner und -frauen am eigenen Leib erfahren, wie sich das anfühlt.
Grenzen spüren, Sicherheit gewinnen
Los geht’s: Drei AdF betreten den oberen Stock. Am Eingang setzen sie einen Ventilator ein. Dieser erzeugt einen Überdruck im Gebäude. Mit Wasser kühlen die Übungsteilnehmenden die Rauchgase und rücken dann Meter um Meter zum Brandherd vor. Ein Trupp konzentriert sich aufs Löschen, ein anderer sucht die Puppen. Hier brennt nur Spaltholz, doch gerät in einer echten Wohnung etwas mit Plastik in Brand – ein Sofa, ein Fernseher – wird der Rauch sofort schwarz. «Dann sieht man die eigene Hand vor dem Gesicht nicht mehr», erläutert Blaser. Umso wichtiger ist es, sich anhand des Schlauches oder von Seilen orientieren zu können. «Hier geht es auch darum, sich selbst in einer Hitzesituation kennenzulernen und seine Grenzen zu spüren. Das gibt Sicherheit für den Ernstfall.» Nun öffnet sich ein Fenster, Rauch drückt dank dem Überdruck hinaus. «Eine Öffnung zu schaffen, durch die der Rauch abziehen kann, ist etwas vom Wichtigsten», sagt der Experte. Wichtig sei zudem ein schematisches Vorgehen, denn im Ernstfall müsse jeder Handgriff sitzen. In der Simulation auf dem Übungsgelände ist Sicherheit das A und O; es gibt Notausgänge, durch die die Teilnehmenden flüchten können. Heute ist das nicht nötig. Die Puppen liegen draussen, Stephanie und ein Kollege bereiten das Feuer für die nächste Gruppe vor. Derweil teilt der GVB-Instruktor im Debriefing seine Beobachtungen mit den Teilnehmenden, gibt Tipps und zeigt Optimierungsmöglichkeiten auf.
Grosses Übungsgelände
Nur wenige Meter entfernt fliesst der Gäbelbach am Waldrand entlang. «Sein überschüssiges Wasser speist unser Löschbecken», verrät Blaser. Das Löschwasser – Schaum kommt hier nicht zum Einsatz – landet in einem Auffangbecken und wird regelmässig fachgerecht entsorgt. Das Gelände ist gross; es beherbergt zum Beispiel eine Trümmerpiste für den Zivilschutz, auch die Kantonspolizei oder Hundesuchstaffeln trainieren hier. Nebenan türmen sich ausgediente Autos – mit ihnen übt die Feuerwehr die Personenbergung nach Unfällen. Sogar ein echtes Tram wird für die Simulation von Zug- oder Tramunfällen genutzt. Im Kanton Bern gibt es noch fünf weitere Heissausbildungszentren. Die Milizfeuerwehren trainieren abwechselnd an verschiedenen Orten, um sich nicht zu sehr an die Gebäude zu gewöhnen.
Wer also über dem Gäbelbach Rauch aufsteigen sieht, blickt nicht auf Gefahr, sondern auf Vorbereitung: Übung für einen Moment, den niemand erleben möchte. Damit im Ernstfall der Rauch nicht zum Albtraum, sondern zum bezwingbaren Gegner wird.